Alter Mann auf einer Parkbank

Günter Grass

Alter Mann auf einer Parkbank
Alter Mann auf einer Parkbank
1948
Federzeichnung
43 x 28 cm

Beschreibung

Mit raschen, kräftigen Federstrichen hat Günter Grass im Sommer 1948 die markanten Züge des alten Mannes festgehalten, in denen sich die Strapazen eines entbehrungsreichen Lebens eingeschrieben haben. Der junge, angehende Künstler wird den Mann zuvor mit ein paar Zigaretten dazu überredet haben, für ihn Modell zu sitzen, wie er in seinem Erinnerungsbuch Beim Häuten der Zwiebel (2006) schildert:

»Nun saßen mir auf den Bänken des Caritas-Heims Greise im Halbprofil und hielten, wie auf Befehl die Blickrichtung. Ein bis zwei Stunden saßen sie. Viele litten unter Asthmaanfällen. Ihr pfeifender Atem. Manchmal brabbelten sie wirres Zeugs, durch das der Erste Weltkrieg, Verdun, die Inflation geisterten. Mit Zigaretten, meiner Währung, entlohnte ich sie: ausgezahlt zwei, drei Glimmstängel, die sie gleich nach der Sitzung oder nach längerem Hustenanfall bis auf Stummellänge rauchten.«

Grass absolviert zu diesem Zeitpunkt ein Praktikum in einem Steinmetzbetrieb, um später Bildhauerei an der Kunstakademie in Düsseldorf zu studieren. Einige dieser Zeichnungen der Bewohner des Caritas-Heims legt er seiner Bewerbungsmappe um einen Studienplatz bei. Neben der Zeichenfeder bedient er sich auch der Kohle und Rötelkreide. Durch die charaktervollen Porträts der alten Männer stellt Günter Grass seine Fähigkeit zur genauen Erfassung der Natur sowie die Beherrschung unterschiedlicher künstlerischer Techniken unter Beweis. Beides sind Anforderungen, die in der klassisch ausgerichteten Ausbildung an der Akademie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von den Studierenden erwartet werden.

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