Dreibrüstiger Torso, liegend

Günter Grass

Dreibrüstiger Torso, liegend
Dreibrüstiger Torso, liegend
2007
Bronze
89 x 200 cm

Beschreibung

In den 1980er Jahren widmet sich Günter Grass auf Anregung seiner Tochter Laura – einer gelernten Töpferin – dem Modellieren mit Ton. Im Bildband Gebrannte Erde (2002) betont er die Urtümlichkeit des Materials: »Feuchte Tonerde, gewalkt und gut durchgeknetet, formbar zu Gefäßen, Idolen, Reliefs und Holhlkörpern, die luftgetrocknet ein wenig schrumpfen, in Töpferöfen abermals kleiner werden und in großer Hitze zu anderer Farbe kommen: ziegelrot, ockergelb, torfschwarz. Ton, wie er sich vielerorts findet, war seit Menschengedenken dem ältesten Handwerk dienstbar und gibt – heil oder in Scherben – Zeugnis von den Anfängen jeder Kultur.«

Eine der ersten Plastiken, die Grass in Terrakotta formt, ist die steinzeitliche Göttin Aua, die nach der Darstellung im Roman Der Butt (1977) den Menschen das Feuer bringt. Die Frauenfiguren erscheinen im Roman als stärkeres Geschlecht und Urquelle des Lebens, von denen sich die Männer zu emanzipieren versuchen. Im Roman verfügt die Göttin Aua über drei Brüste, mit denen sie die Männer säugt. Mit der Emanzipation der Männer verschwindet die dritte Brust. Diese Idee greift Grass in der Plastik auf, die als Relief ausgearbeitet ist: Kopf, Arme und Beine fehlen, sodass die weiblichen Geschlechtsmerkmale wie der üppige Leib und die breiten Hüften betont werden. Durch die Reduzierung des weiblichen Körpers auf dessen Fruchtbarkeitsmerkmale erinnert die Plastik an archaische Frauenstatuetten der jüngeren Altsteinzeit, die sich durch große Brüste, voluminöse Kurven und die Betonung der Scham auszeichnen.

Im Gegensatz zu steinzeitlichen Figurinen weist Grass' Göttin wesentlich ausgewogenere Konturlinien und eine glatte Oberflächenbehandlung auf, sodass die Arbeit zugleich wie ein griechischer Torso anmutet. Somit vermischt Grass steinzeitliche und abendländische Schönheitsideale des weiblichen Körpers und schafft einen ganz eigenen mythologischen Frauentypus.

Audio

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