Mit Oskar ins tote Holz gehen
Günter Grass
Beschreibung
»Es war Leichenfleddern. Hinsehen und festhalten. Oft fotografiert und farbig oder schwarz-weiß zur Ansicht gebracht, blieb dennoch unglaubhaft, was Statistiken und amtliche Waldzustandsberichte bebildern sollte. Fotos kann jeder machen. Wer traut schon Fotos!«
Günter Grass traut dem nüchternen Abbild eines Fotos jedenfalls nicht. Im Sommer 1988/89 begibt er sich auf Reisen, um die heimischen Wälder zu zeichnen. Wie die vorliegende Lithografie »Mit Oskar ins tote Holz gehen« zeugen diese Bilder von den verheerenden Auswirkungen der Luftverschmutzung, die in Form von saurem Regen die Böden vergiftet. Grass' Werke zeigen düstere Baumlandschaften, die den Blick des Betrachtenden versperren. Die Baumkronen sind entlaubt und oft verstümmelt. Nicht selten finden die Bäume keinen Halt mehr im Boden und sind entwurzelt, die Waldstücke wirken wie Ödland. Auch gut dreißig Jahre später erholen sich die Wälder nur langsam.
Im Band Totes Holz (1990) hat Grass die Erzeugnisse seiner Reisen durch Mitteldeutschland versammelt. Begleitet werden die Arbeiten von Gedichtfragmenten und Auszügen aus dem Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Forsten, 1989. Die sachliche Sprache des Berichts steht im krassen Kontrast zu den ganzseitigen Zeichnungen mit den verwüsteten Waldlandschaften und den Zeilen des unvollständigen Gedichts. Grass verzichtet bewusst auf die Fotografie und greift stattdessen zur Kohle, Tinte oder zur Lithografiekreide, um sein Entsetzen, seine Empörung und Sprachlosigkeit angesichts der toten Wälder zum Ausdruck zu bringen. Erst die künstlerische Umsetzung, in der sich diese persönlichen Empfindungen niederschlagen, vermag die wahrgenommenen Bilder »zum Sprechen« zu bringen.